Politik hautnah – Auslandsgrüße aus Taiwan
Nachdem ich das vergangene Sommersemester an der Shanghai University in China verbracht hatte, entschied ich mich, für mein Praxissemester knapp 700 Kilometer weiter südlich nach Taiwan zu reisen. Hier in Taipei, der Hauptstadt der Republic of China (Taiwans offizieller Name), absolviere ich gerade mein Auslandspraktikum am Deutschen Institut.
Obwohl die Bewohner von sowohl China als auch Taiwan mehrheitlich der gleichen, sogenannten „Han“ Ethnie, angehören, verbindet die beiden Länder eine gemeinsame Geschichte von Krieg und Feindschaft. China sieht Taiwan als eine abtrünnige Provinz, die früher oder später wieder in die Volksrepublik eingegliedert werden soll. Relationship Status: It’s Complicated.
Taiwan ist daher kein Mitglied der UNO und wird offiziell von nur 14 (meist relativ kleinen) Staaten, wie Haiti, Eswatini und den Marshallinseln, anerkannt. Deutschland gehört nicht dazu.
Aufgrund von fehlenden offiziellen diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Taiwan verfügt die Bundesrepublik auch über keine offizielle Botschaft im Land. Das Deutsche Institut agiert daher als die de-facto Botschaft in Taiwan und übernimmt all die Tätigkeiten, die auch von einer offiziellen Botschaft erledigt werden.
Das Büro des Deutschen Instituts befindet sich im 33. Stock des berühmten Taipei 101, welcher bis 2010 das höchste Gebäude der Welt war. Hier habe ich während der Arbeit eine tolle Aussicht auf Taipei und die umliegenden Berge.
Dabei verbringe ich jedoch nur einen kleinen Teil meiner Zeit im Büro am Schreibtisch und bin stattdessen sehr häufig unterwegs, beispielsweise auf verschiedenen kulturellen Events oder Nationalfeiertagsveranstaltungen.
Besonders interessant sind die vielen bi- und multilateralen Foren und Konferenzen, auf denen ich jede Menge über die aktuellen Entwicklungen in Taiwan und Südostasien lerne und gleichzeitig eine Vielzahl interessanter Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft kennenlerne.
Die taiwanische Kultur wird ab und zu als „China lite“ beschrieben und in der Tat erinnert mich hier einiges an meine Zeit in der Volksrepublik: Das Essen ist günstig und lecker, der Straßenverkehr ist von unzähligen Motorrollern geprägt und allgemein sind überall sehr viele Menschen.
Darüber hinaus bietet Taipei auch so einige Vorteile: Die Luft ist wesentlich sauberer, die Menschen sprechen besser Englisch und in der Metro bekommt man sogar ab und zu einen Sitzplatz. Hinzu kommt das tolle Wetter: Die Regensaison ist vorbei und dank Temperaturen von bis zu 30° Celsius kann man eigentlich Tag und Nacht in T-Shirt und kurzer Hose rumlaufen.
Allgemein ist es in Taiwan aus politischer Sicht gerade eine sehr spannende Zeit: Am 11. Januar stehen Präsidentschaftswahlen an, die Proteste in Hong Kong haben auch auf Taiwan große Auswirkungen und China versucht währenddessen, Taiwan weiterhin international zu isolieren.
Taiwan war dieses Jahr das erste Land in Asien, welches die gleichgeschlechtliche Ehe legalisierte. Laut einer Studie der United Nations ist Taiwan außerdem das glücklichste Land in Ostasien und eine Umfrage ergab vor Kurzem, dass es das weltweit beste Land für Expats ist.
Kein Wunder also, dass es mir hier so gut gefällt!