¡Saludos de Buenos Aires!

Auslandsgrüße aus Buenos Aires von Johanna Achammer

Jetzt, kurz vor dem Start meiner Rundreise durch Argentinien zu den Iguazú-Wasserfällen an der Grenze zu Brasilien und nach Salta und Jujuy zum Abschluss meines Auslandssemesters, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um von meinem Studium in Buenos Aires, der Stadt die niemals schläft, zu berichten.

Anfangen sollte ich wohl mit der Universität, die mich ja schließlich nach Buenos Aires gebracht hat (abgesehen vom Interesse an einer neuen Kultur, der spanischen Sprache und einem neuen Abenteuer weit weg von zu Hause). Ich habe mein Semester an der Universidad de Ciencias Sociales y Empresariales, kurz UCES, mittlerweile erfolgreich absolviert. Ich hatte in meinen Augen das Glück, dass ich in allen Kursen die einzige Austauschstudentin war und dass alle Kurse auf Spanisch stattgefunden haben. Dadurch war ich optimalerweise dazu gezwungen, meine Spanischkenntnisse schnell zu verbessern und war gleichzeitig sofort als normale Studentin in die Kurse eingebunden. Trotz des umfangreichen Tagesprogramms der Argentinier (die meisten argentinischen Studenten arbeiten tagsüber in einem Vollzeitjob) haben sich im Laufe des Semesters tiefergehende Freundschaften entwickelt, die schnell auch über die Vorlesungen hinausgegangen sind. So habe ich nicht nur während der interaktiv gestalteten Vorlesungen im Dialog mit Professoren und Kommilitonen, sondern auch in argentinischen Familien die Kultur erlebt (am besten waren immer wieder neu entdeckte typische kulinarische Köstlichkeiten). Außerdem bin ich mittlerweile in der Lage, mich sowohl im privaten als auch im fachlichen Kontext unter Verwendung von Fachvokabular auf Spanisch auszudrücken und in Diskussionen und Gesprächen aktiv teilzunehmen sowie meinen Standpunkt eloquent zu vertreten.

An das Uni-System hier musste ich mich erst gewöhnen. An der UCES und vielen anderen argentinischen Universitäten finden die Kurse nur morgens um 8.00 Uhr oder abends um 18.30 Uhr jeweils 3 bis 4 Stunden statt. Tagsüber arbeiten die meisten Studenten (vor allem an einer Privatuniversität wie der UCES), um sich ihr Studium und das Leben in dem krisengeprägten Land finanzieren zu können. Dadurch spielt sich das Leben nicht wie in Deutschland hauptsächlich an der Universität, sondern in der Arbeit ab. Die Kurse sind stundenmäßig wesentlich umfangreicher, sodass jeder Student zwischen drei und fünf Kurse belegt, um die geforderten Creditpoints pro Semester zu erreichen. Um die zum Vollenden meines Studiums von der OTH Regensburg geforderten 30 ECTS zu erreichen, habe ich nach dem Austesten mehrerer Kurse in den ersten beiden Wochen vier Kurse belegt. Das Ausprobieren mehrerer Kurse am Anfang würde ich übrigens jedem empfehlen, da die Kurswahl von Deutschland aus eher formalen Charakter hat und man ohnehin erst vor Ort merkt, ob die Kurse den eigenen Vorstellungen entsprechen oder nicht. Um an der Finalprüfung Ende Juli teilnehmen zu können, muss jeder Student zu 75% der Vorlesungszeit anwesend sein und die beiden sogenannten „Parciales“ (Zwischenprüfungen) während des Semesters bestanden haben. Dadurch habe ich während des gesamten Semesters ingesamt 12 Prüfungen erfolgreich absolviert. Die Noten der Parciales werden übrigens nicht – wie zuvor angenommen – in den Notenschnitt gezählt, sondern es zählt nur die Note der Endprüfung.

Doch natürlich gehen meine Erfahrungen und Erlebnisse weit über das Studium hinaus. Von meiner Universität aus gab es leider kein Programm für Austauschstudierende, aber zumindest eine facebook-Gruppe, durch die wir uns vernetzen und uns vor allem am Anfang gut austauschen konnten. Das fehlende Programm der Universität konnte aber problemlos durch andere Organisationen, wie beispielsweise „BAIS Argentina“ oder „Argentina for All“ kompensiert werden. Zudem biedet die Regierung das Programm „Study in Buenos Aires“ an, das ich sehr empfehlen kann. Diese Organisationen bieten mehrmals wöchentlich Aktivitäten und auch größere Reisen an und sind vor allem am Anfang ideal, um neue Leute kennenzulernen, seien es Einheimische oder Menschen aus aller Welt, wodurch tolle Freundschaften entstehen.

Neben der Tatsache, dass für mich die Stadt Buenos Aires selbst schon ein Erlebnis war, kann hier eigentlich NIEMAND zu kurz kommen, denn es ist für jeden etwas geboten. Als Ankömmling in der Stadt kann ich Free Walking Tours empfehlen, die mir einen guten Überblick über die Geschichte, aktuelle Situation und natürlich die Sehenswürdigkeiten gegeben haben. Was mich angesichts der krisengeprägten politischen und wirtschaftlichen Situation in Argentinien überrascht hat, ist, dass Kultur sehr stark vom Staat subventioniert wird. Dadurch bin ich beispielsweise in den Genuss eines Konzerts im atemberaubenden Teatro Colón gekommen oder konnte einige Tanzschritte bei Tangokursen im Centro Cultural Kirchner erlernen – und das sind nur einige von vielen kostenlosen Angeboten. Übrigens werden auch die öffentlichen Verkehrsmittel in Buenos Aires – wie Subte, Busse und Züge –staatlich subventioniert und sind vor allem im Vergleich zu Deutschland enorm preisgünstig. Kleine Anmerkung am Rande, die wahrscheinlich keinen IRMler mehr groß überrascht: die Argentinier lieben Schlangen. Ob an der Bushaltestelle oder beim Bäcker, überall wird sich brav angestellt und gewartet, und zwar ohne ungeduldiges Wippen mit dem Fuß oder genervte Stöhngeräusche – man wartet einfach. Im Gegenzug lassen sich auch beispielsweise Verkäuferinnen an der Supermarktkasse nicht aus der Ruhe bringen, selbst wenn es beispielsweise mal Probleme mit der Kreditkarte gibt. Wo wir schon beim Geld sind. Ich habe mir schnell angewöhnt, wenn möglich mit Kreditkarte zu zahlen, da mir die DKB-Bank die anfallenden Auslandsgebühren nur so zurückerstattet. Beim Abheben am Automaten fallen jedes Mal ungefähr 100 Pesos (rund 5 Euro) Gebühr an, was eigentlich nicht weiter schlimm wäre, wenn man nicht immer nur pro Tag maximal 2000 Pesos (ca. 100 Euro) abgeheben dürfte. Doch warum ist das so? Wie bereits angedeutet steckt Argentinien, einst eines der wohlhabensten Länder der Welt, schon seit Jahrzehnten in einer schweren Krise, für die ich trotz vieler Gespräche mit Professoren, Freunden und auch total Fremden verschiedenenen Alters, Bildungsstands und Herkunft keinen Lösungsansatz gefunden habe. Um nur zwei Beispiele für die Krise zu nennen: von Dezember 2001 bis Januar 2002 hatte Argentinien fünf (!) Präsidenten und die Inflationsrate im vergangenen Jahr lag bei ca. 40% (man erinnere sich zurück an VWL in IRM1: optimal wäre ein Wert von knapp unter 2%). Wie ihr vielleicht schon merkt, ist das Land sehr komplex und noch viel interessanter als ich es mir jemals vor meiner Ankunft vorgestellt habe – sei es kulturell, historisch, politisch oder wirtschaftlich.

Um auf die Universität zurückzukommen: Ich habe den Kurs „Economía Política y Problemática Economía Argentina“ belegt, wo ich schon durch den Professor vorgewarnt wurde, dass die argentinische von Korruption geprägte wechselhafte Politik und die instabile Wirtschaft und deren System für Ausländer schwer zu verstehen und nachzuvollziehen ist. Grundsätzlich habe ich die Erfahrung gesammelt, dass Argentinier sehr viel mehr über Politik sprechen als Deutsche. Am Rande: In Deutschland habe ich die Erfahrung gemacht, dass jeder nach der Frage nach meinem Studiengang nur „International Management“ („ah, irgendwas mit BWL“) rausgehört und im besten Fall abgespeichert hat. In Argentinien war es genau anders herum der Fall („Ah, Internationale Beziehungen“) und dadurch hatten die Argentinier noch mehr das Bedürfnis über Politik zu reden und zu diskutieren. Dabei wurde auch oft das System der EU angesprochen und dadurch habe ich viel mehr über unser deutsches und europäisches System reflektiert, das für mich während meines Lebens in Deutschland meistens selbstverständlich war. Die in zwei große politische Lager gespaltene argentinische Gesellschaft ist mir gleich zu Beginn des Semesters durch die zahlreichen Demonstrationen gegenübergetreten, für die an einem Tag sogar die ganze Stadt lahmgelegt und sozusagen ein Feiertag eingerichtet wurde. Feiertage gibt es hier übrigens noch mehr als in Bayern (leider hatte ich nicht soviel davon, da sie nur einmal auf meine Vorlesungstage gefallen sind). Doch trotz der vielen Feiertage war ich überrascht, wie viele Stunden die Argentinier doch arbeiten (man schaue sich nur Vollzeitjob und Studium an). Leider nutzen sie die Stunden nicht so effizient wie die Deutschen (ein anderes Extrembeispiel).

Nun zu einem wahrscheinlich für viele wichtigen Punkt: Reisen in Südamerika. Ich muss sagen, dass sich meine weiteren Reisen auf einen Wochenendtrip nach Uruguay und einen Tagesausflug nach Tigre beschränkt haben, was mich persönlich nicht weiter gestört hat. Ich habe das Leben mit den Einheimischen und die vielfältigen Eindrücke, die mir allein die Stadt geboten hat, sehr genossen. Der Ausflug nach Uruguay bietet sich an, da Uruguay mit dem Schiff (buquebus oder coloniaexpress für Interessierte) nur ca. 2 Stunden entfernt liegt und somit leicht und kostengünstig zu erreichen ist. Das heimelige Örtchen Colonia an der Küste bildet einen schönen Kontrast zur immer belebten und riesigen Stadt Buenos Aires, bevor man nach Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, mit dem Bus weiterfährt und die Stadt erkundet. Sollte man aber nur mal schnell raus aus dem Stadtleben wollen, kann ich Delta de Tigre empfehlen, eine Art Naherholungsgebiet für die Bewohner Buenos Aires ́. Die, die auf der Suche nach dem Adrenalinkick sind, können sich im Vergnügungspark mit Achterbahnen und co voll und ganz austoben. Zum Entspannen bietet sich allerdings eher das Schlendern durch die Märkte und eine Katamaranfahrt auf dem Tigre an – eine ganz andere Welt. Wie anfangs erwähnt, werde ich jetzt, nach Abschluss des Semesters an der Uni zu einer größeren Reise aufbrechen.

Meine Wohnsituation will ich euch ebenfalls nicht vorenthalten. Über airbnb habe ich schon im Voraus ein Zimmer gefunden, das sich für mich persönlich als richtiger Glücksgriff herausstellte. Die Wohnung liegt im schönen Stadtteil Palermo. Dieser Stadtteil ist sehr sicher und bietet eine unglaublich hohe Lebensqualität. Neben mir wurde die Wohung von einem älteren, aber sehr fitten argentinischen Ehepaar bewohnt, das sich während meines Aufenhalts von über fünf Monaten für mich zu einer zweiten Familie entwickelte, auch wenn ich natürlich komplett selbstständig dort gelebt habe. Aber so habe ich nicht nur noch schneller die Sprache gelernt, sondern auch die Kultur im Kreis der Familie hautnah erlebt.

Falls ihr noch mehr über meine Eindrücke erfahren wollt, stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung. Ihr solltet aber etwas mehr Zeit einplanen, da ich vermutlich erstmal übermannt von meinen ganzen Eindrücken und durchgehend positiven Erlebnissen nicht mehr zu reden aufhören werde. Zum Beispiel habe ich sogar selbst Empanadas gemacht (vom Essen und Trinken hier hab ich ja – wie von vielen Dingen – noch gar nicht berichtet). Jetzt sitze ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge vor dem Laptop, und freue mich auf meine Abschlussreise und die kurze, aber sicher intensive Rückkehr nach Deutschland freuend bis es schon Anfang September in die Schweiz ins Praktikum geht.

Eine letzte Anmerkung zur Beruhigung: Während meines gesamten Semesters ist mir persönlich nie etwas passiert und das ist auch die Regel, wenn man mit gesundem Menschenverstand durch die Stadt läuft.

Liebe Grüße aus Buenos Aires,

Eure Johanna


Autorin: Johanna Achhammer, zu ihrem Auslandssemester in Buenos Aires

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