Hallo liebe IRMler,
ich schicke euch viele Grüße aus dem schönen Jordanien. Dieses Land, das als eine konstitutionelle Monarchie organisiert ist und knapp 10 Millionen Einwohnern hat, liegt in direkter Nachbarschaft zu Israel, Syrien, Irak und Saudi-Arabien. Bevor ich Anfang Februar hierher flog, hörte ich von einigen Freunden und Verwandten immer wieder: „Bist du dir sicher, dass du in ein arabisches Land willst – besonders als Frau?“ Trotz einiger besorgter Einwände flog ich Anfang Februar nach Jordanien, um mein theoretisches Auslandssemester an der German-Jordanian University (GJU) in Madaba zu verbringen.
Die Universität ist aus einer Partnerschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Haschemitischen Königreich Jordanien entstanden. Alle Studierenden an dieser Uni verbringen ein Jahr in Deutschland und sind dementsprechend sehr offen gegenüber deutschen Austauschstudierenden, was einem als Austauschstudentin das Kontakteknüpfen durchaus erleichtert. Das Hochschulsystem ist allerdings am amerikanischen orientiert – d.h. die Kurse sind hier eher verschult und in kleineren Gruppen. Zudem gibt mehr Prüfungen als an der OTH.
Die Uni befindet sich am Rande der Stadt Madaba. Dennoch leben die meisten Studierenden in der Hauptstadt Amman. Ich wohne allerdings nur ca. 3 km vom Campus entfernt in einem sehr kleinen Ort namens Husban bei einer sehr herzlichen und gastfreundlichen jordanischen Familie, die mich mit offenen Armen aufgenommen hat. Nach einem ersten kleinen Willkommensschock über die ländliche Lage meiner Unterkunft bin ich insbesondere in Zeiten von Corona sehr froh, eher abgelegen und bei einer geringeren Menschendichte als in der Hauptstadt Amman zu leben. Und auch, wenn man es auf den ersten Blick nicht glaubt, in den kleinen Läden im Ort bekommt man eigentlich auch alles, was man braucht. Da ich hier bei einer Gastfamilie lebe, bin ich zudem in der komfortablen Situation, dass ich kulinarisch bestens mit jordanischem Essen wie Mansaf (jordanisches Nationalgericht; hauptsächlich aus Reis und Schafsfleisch) oder Maqluba (bestehend aus Reis, Hühnchen und frittiertem Blumenkohl, Aubergine und Kartoffeln) und arabischem Tee (dabei gilt als Faustregel: mind. zwei Tassen Zucker pro Kanne) versorgt bin. Zwar habe ich nur zwei (ausschließlich arabischsprechende) Mitbewohnerinnen im Alter von 75 und 35 Jahren; da allerdings ein großer Teil der Familie in direkter Nachbarschaft lebt, habe ich eigentlich um die sechszehn Mitbewohner aller Altersstufen. Ich kann es nur empfehlen, insbesondere in einem Land wie Jordanien, in einer Gastfamilie zu leben, da man dadurch sehr viel mehr von der Kultur und der Sprache lernt. Zudem bekommt man meiner Meinung nach auch einen wesentlich realistischeren Einblick, wie das „normale“ Leben im Gastland abläuft. Zudem leben hier auch fast alle Studierende – anders als an den meisten deutschen Unis – bei ihren Familien. Übrigens war mir – insbesondere durch meine Wohnsituation – IHaKo aus den ersten beiden Semestern bisher sehr nützlich!
Hier noch ein paar Eindrücke aus dem Land, bevor die Vorlesungen wegen Corona seit Anfang/Mitte März auf Online-Veranstaltungen umgestellt wurden:Die Busanbindung in Jordanien ist trotz nicht vorhandener Busfahrpläne und nicht ausgeschilderten Bushaltestellen besser als ich erwartet hätte. Will man mit dem Bus fahren, muss man sich hier einfach an die Hauptstraße stellen und maximal 15 – 20 Minuten warten, bis ein weißer Kleinbus (das sind die öffentlichen Buslinien) vorbeikommt und anhält. Als Frau wird man auch zu 99,9 % immer einen Sitzplatz bekommen, egal wie voll der Bus ist. Will man aussteigen, so klopft man einfach mit einer Münze an die Busscheibe und der Bus hält – wo auch immer man will – an. Ansonsten kommt man hier auch relativ günstig und unkompliziert mit Uber, Taxi oder Careem (dem jordanischen Äquivalent zu Uber) ans Ziel. Zu beachten ist allerdings, dass man sich – insbesondere als Frau – immer auf die Rückbank und nicht auf den Beifahrersitz setzen sollte.
Um auf die Frage der Sicherheit zurückzukommen, kann ich sagen, dass ich mich bisher zu keinem Zeitpunkt wirklich unsicher gefühlt habe. Zwar wird man angesehen, wenn man als Ausländerin unterwegs ist, insbesondere in meinem Wohnort, an dem ich noch keinen anderen Nicht-Jordanier getroffen habe. Folgt man allerdings seinem gesunden Menschenverstand und Bauchgefühl, muss man sich wirklich keine Sorgen machen. Eher ist es so, dass einem die Menschen „Ahlan wa sahlan fi-l Urdun“ (Herzlich willkommen in Jordanien!) hinterherrufen.
In den ersten zwei Monaten meines Auslandssemesters konnte ich zudem schon viele schöne Orte Jordaniens erkunden. So war ich z.B. in der Stadt Jerash, die einst von den Römern erbaut wurde, besuchte mit Petra eines der neuen sieben Weltwunder und habe einen wunderschönen Sonnenuntergang in der Wüste von Wadi Rum verbracht.
Dennoch hat das Corona-Virus ebenfalls Jordanien erreicht. Als Konsequenz wurden zunächst Mitte März alle Universitäten und Schulen geschlossen, kurz darauf wurde eine komplette (!) Ausgangssperre verhängt, d.h. auch alle Supermärkte und Bäckereien wurden für einige Tage geschlossen. Aktuell gibt es relativ strikte Ausgangsbeschränkungen, die solange aufrechterhalten werden sollen, bis 14 Tage in Folge keine neuen Infektionsfälle auftauchen. Aus aktueller deutscher Perspektive scheint das ein noch sehr fernes Ziel zu sein. Da die Zahlen der Neuinfektionen hier allerdings täglich zwischen ca. null und fünfzehn Fällen schwanken, werden die Beschränkungen nach dem Fastenmonat Ramadan Ende Mai vielleicht gelockert.
Dennoch läuft das Leben für mich hier den Umständen entsprechend normal weiter – durch die schnelle Reaktion der GJU gibt es seit Anfang der Ausgangsbeschränkung Online-Vorlesungen, sodass – insh´allah und wenn meine Internetverbindung will – alle belegten Kurse absolviert werden können.
Viele Grüße nach Deutschland, einen guten Semesterstart und bleibt gesund,
Eure Viktoria