In Italien wollte ich schon seit immer leben und deswegen habe ich mich für ein Auslandsstudium in Palermo entschieden. Und das, was danach kam, war alles, aber nicht das, was ich je erwarten würde. Ich hoffe, ihr seid jetzt gespannt und genießt meine hoffentlich authentische Erzählung über das dolce vitain Palermo.
Es ist anders als all meine Erwartungen – es ist viel, VIEL besser! Wenn man sich Palermo vorstellen möchte, muss man die typische Vorstellung von Italien komplett vergessen. Palermo ist – und war immer – eine Kreuzung zwischen Europa und Afrika. Eine Migrationszone. Ein kulturelles Mosaik. Glücklicherweise sind die Menschen auch sehr tolerant und loyal, was diesen europäisch-
afrikanischen melting spot möglich macht.
In der Hauptstadt von Sizilien kann man sich schnell orientieren – aber pünktlich kommt man trotzdem nie. Warum? Ist es wegen den (gefühlsmäßig) Milliarden von langsamen Touristen im Zentrum? Dem chaotischen Verkehr? Den Pferden oder Traktoren auf der Straße mitten in der Innenstadt? Jemand hat wieder ein Sofa aus dem Fenster auf die Straße geworfen mit dem Gedanken, dass „jemand es noch gebrauchen könnte“? Egal welcher Grund auch immer, es hat dazu geführt dass ich fast immer mind. 10 Minuten zu spät zur Vorlesung gekommen bin, da ich Tag für Tag jemanden getroffen habe, der sich kurz unterhalten wollte.
Der italienische Kulturstandard Beziehungsorientierung spielt im traditionellen Süden eine zentrale Rolle. Nicht mal nach einem Monat hatte ich das Gefühl, ich kenne alle hier. Ich kenne die ständig mit abgeschlagenen Stoßstangen beschäftigten Mechaniker, Fleischer und Orangenverkäufer, Polizisten vor den Denkmälern, den Opa, der Lampen verkauft und den etwas komischen Mann (zwar ohne Zähne, aber immer mit einem Lächeln und einem Kompliment für mich auf den Lippen), der das beste Street Food in Palermo verkauft.
Wie man es aber vielleicht erwartet, mit meiner 10-minutigen Verspätung war ich trotzdem meistens die Erste. Vielleicht habt ihr das Gefühl, dass es ohne Anspruch auf Pünktlichkeit auch generell kaum Ansprüche gibt. Dem ist aber zum Glück nicht so – meine Vorlesungen waren sehr bereichernd und da wir maximal 10 Leute im Kurs waren, sehr individuell und herausfordernd.
Und was kann man hier sonst machen? An Strand gehen, die Schiffe im Hafen beobachten, in den rund herum emporragenden Bergen wandern gehen oder eine typisch sizilianische gebratene Reiskugel mit Mozzarella essen gehen. Oder noch besser… kommt doch selber vorbei. Momentan passt es besser als nie davor.
Palermo ist dieses Jahr nämlich die Kulturhauptstadt Italiens und, da die meisten Konzerte, Theaterstücke, Ausstellungen oder Märkte direkt in den Straßen stattfinden, gibt es genügend Platz für eine weitere Welle von ausländischen Studierenden aus der ganzen Welt.
Auslandsgrüße von Aneta Beranova, Juni 2018